Christoph Birken: Endlich

Wunderbar

(c) Frederic Maquet
Datum:
Di. 7. Nov. 2023
Von:
Alexander Schüller

Wer freut sich nicht darüber, endlich das erreicht zu haben, was man sich schon lange vorgenommen hat? Welche Erleichterung, welche Genugtuung! Christoph Birken, Religions- und Deutschlehrer in Würselen, Fachleiter am ZfsL Jülich und passionierter Liedermacher kennt diese Freude.

Er hat darüber sogar einen Song geschrieben: das Titelstück seines jüngsten Albums „Endlich!“, erschienen 2020. „Endlich einmal in New York“, heißt es darin, „endlich im Fernsehen, endlich achtzehn, endlich hier raus.“ Doch Birken stimmt mit seinem Lied keineswegs ein in den Chor derjenigen, die so vieles endlich, endlich zu erreichen suchen. Denn ihm ist bewusst: Die Fixierung auf das Ziel und die Zufriedenheit, die aus dem Gefühl erwächst, an dieses Ziel gekommen zu sein, führt zu Erstarrung; der Blick für all das Schöne und Wunderbare abseits des Wegs geht verloren, genauso wie die Bereitschaft, andere Wege zu beschreiten, sich in der Welt ringsum zu verlieren.
„Alles, was wir endlich sind, stiehlt uns nur Zeit“, singt Birken im Refrain des Liedes. Welche ein wunderbarer Aufruf, sich auf dem eigenen Lebensweg nicht auf immer neu gesteckte Ziele hinzubewegen, sondern ins Offene auszuschreiten, ja gerade um der eigenen Endlichkeit willen nicht schon im Leben, in der vermeintlichen Bewegung, über Vorhaben und Plänen einzufrieren.

 

Eine abwechslungsreiche Werkschau
„Songpoesie zwischen Carpe diem und Memento mori“ - so der Untertitel des Konzertes, das Christoph Birken am 20. Oktober im Katechetischen Institut gespielt hat. Es war das erste Konzert nach der Corona-Pandemie. Verstärkt durch Simon Kurtenbach (Piano, Akkordeon), Michael Müsseler (Gitarre) und seine Tochter Carlotta Marie (Gesang) bot Birken über nahezu zweieinhalb Stunden hinweg (inklusive einer Pause) eine mitreißende und abwechslungsreiche Werkschau. Songs aus „Endlich! wurden ebenso zur Aufführung gebracht wie Lieder der beiden Vorgänger-Alben. Begeistert und bewegt lauschten 80 Zuhörer*innen etwa „John o’ Goats“, in dem Birken die Zuhörer auf eine Reise in die schottischen Highlands mitnimmt, oder seiner Hommage an den „Gutmensch[en]“, der es sich „leidenschaftlich schwer“ macht und sich freimütig zu seinen Selbstzweifeln, auch seinen Fehlern bekennt.

Songpoesie
Besonders berührt hat mich und zahlreiche andere Zuhörer „Deine Reise“, ein ebenso leicht klingender wie thematisch schwer verdaulicher Song über einen Mann, einen ehemaligen Mitschüler Birkens, der bereits in jungen Jahren an Krebs verstarb. Das Lied zeigt besonders deutlich, was Birkens Texte auszeichnet. Es ist in der Tat Songpoesie, ein heiter-ernstes Spiel mit Worten, das immer wieder unsere vertrauten Wahrnehmungen und Sprechkonventionen durchkreuzt, uns auf diese Weise vom erdenschweren Ballast eines immerwährenden Höher, Schneller, Weiter befreit und zum Aufbruch ins Unbekannte einlädt. Wie viele Aufbrüche es geben kann, besingt Birken in seinem Song „Aufbruch“, selbst der Tod des Vaters erscheint ihm als ein solcher Aufbruch. 

 

Es gab viel zu entdecken
Wer Christoph Birken an diesem Abend zuhören durfte, der verstand schnell, dass hier jemand unberührt von allen musikalischen Trends macht, was ihm Freude bereitet: authentisch, bei aller Leichtigkeit gleichwohl in Text und Melodie um den angemessen Ausdruck ringend. Es lohnt sich deshalb nicht nur, Christoph Birkens Musik zu hören, sondern auch seine Texte zu lesen – und den ein oder anderen Song vielleicht sogar im Unterricht einzusetzen. Zu entdecken gibt es hier genug. Die Gäste unseres Konzerts waren sich jedenfalls einig: ein wunderbarer Abend mit toller Musik, anregenden Gesprächen, reichlich Essen und Getränken, kurzum: ein Abend, der nach einer Wiederholung verlangt.


Mehr zu Christoph Birken inklusive einiger Videos oder der Texte/Tonspuren seiner Lieder finden Sie unter: https://christophbirken.com 


Alexander Schüller