Thomas Hieke, Gott erscheint. Epiphanie und Theophanie im Alten Testament. Freiburg, Basel, Wien: Herder 2024, 192 S., 22,00 €; ISBN 978-3451397592
Das Buch ist in der Diözesanbibliothek unter der Signatur 72 370 entleihbar.
Es kann doch nicht möglich sein, Gott zu sehen?! Keiner hat je Gott gesehen, niemand weiß, wie er aussieht. Da müsste es doch überraschen, dass die Bibel von solchen Begegnungen mit Gott erzählt. Diese werden erbeten, erlebt oder zukünftige Gotteserscheinungen gar angekündigt. Thomas Hieke untersucht den Motivkomplex „Epiphanie“ diachron als auch synchron.
Er klärt Begriffe und Konzepte, analysiert Phänomene und Texte, in denen Menschen in Worte fassen, was sie als Gotteserscheinung deuten. Doch in der Bibel geht es dabei nie um eine konkrete Beschreibung der Gestalt oder des Aussehens Gottes, lediglich die Wirkungen werden beschrieben: Feuer, Wolke, Gewitter, Sturm, Erdbeben – und die Stimme „verschwebenden Schweigens“ (Elija). Wenn Gott kommt, verändert sich die Welt!
Thomas Hieke gewährt mit dieser Studie einen tiefen Einblick in die biblische Theologie und verortet zeitgeschichtlich eine literarische Gattung, deren traditionsgeschichtliche Entwicklung er in Verbindung mit der Herkunft des Gottesnamen JHWH darstellt. Hieke unternimmt schließlich eine theologische Auswertung der biblischen Befunde auch vor dem Hintergrund falscher Gewissheiten, Gender-Festlegungen und Verzerrungen durch die Rezeptionsgeschichte. „Die angekündigte Läuterung motiviert zur Überprüfung des eigenen Handelns und zur Verhaltensänderung.“ (S. 11)
Wesentliche Erkenntnisse dieser Untersuchung finden sich in dem Lexikonartikel „Epiphanie (AT)“ auf WiBiLex zusammengefasst – eine Fragestellung, die das Buch vertieft und mit einer Fülle an Material ergänzt.
Natürlich liegt hier kein Buch zur direkten didaktischen Verwertung im Unterricht vor: ein Werk, das sich dezidiert an die Fachwelt richtet aber auch für jede exegetisch interessierte Lehrperson eine Bereicherung sein dürfte. Denn historisch-kritisches Wissen bildet den Grundstein solider religionsdidaktischer Arbeit – so zum Beispiel, wenn es darum geht, Voreinstellungen und vermeintliches, nicht selten verqueres Halbwissen zu dekonstruieren.
Thomas Hieke, geb. 1968, Dr. theol., Professor für Altes Testament an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Jean-Pierre Sterck-Degueldre