Nicht schon wieder Zölibat!

Lesenswert

(c) Bonifatius Verlag
Datum:
Fr. 23. Aug. 2024
Von:
Kirsten Joswowitz

Robert Mucha, "Nicht schon wieder Zölibat! 10 Fragen, die man als Theologe am häufigsten hört – und Antwortversuche darauf" Paderborn: Bonifatius-Verlag 2019, 211 S.; vergriffen, aber antiquarisch erhältlich.

Das Buch ist in der Diözesanbibliothek unter der Signatur 70 001 entleihbar.


„Kommt ein Theologe auf ´ne Party“ – so beginnt der Prolog dieses Buchs von Robert Mucha, das manche*n Religionslehrer*in schnell an Gesprächssituationen im Religionsunterricht erinnern mag.

Zwar ist dort nicht immer Partystimmung, aber hier wie da sind zuweilen die gleichen Einwürfe zu hören: „Was soll das eigentlich, dieser Zölibat?“, „Glaubst Du wirklich alles, was in der Bibel steht?“ oder „Wie kann Jesus Mensch und Gott zugleich sein? Das hab ich noch nie verstanden!“ Robert Mucha liefert in exzellenter Weise Antwortmöglichkeiten dazu, die dem Religionslehrer gedanklich auf die Sprünge helfen und tolle Formulierungen finden lassen, um das Unterrichtsgespräch zielführend weiterzuführen. Manche Textpassagen können aber auch direkt an einen Oberstufenkurs weitergegeben und zur Diskussion gestellt werden. Das gilt auch und gerade für klassische Abiturthemen: Leben nach dem Tod, Theodizeeproblem, Kirche und Demokratie, Kreuz und Auferstehung, aber auch Fragen für die SEK I: „Wofür braucht’s eigentlich die ganzen Heiligen? Und was soll der Blödsinn mit den Reliquien?“ oder „Wozu braucht man denn die Kirche? Man kann Gott doch auch anders nahe sein!“

Dazu zwei Kostproben. Die erste ist ein Gedankenexperiment zur Frage nach der Bedeutung des Sonntags und der Beziehung zu Gott: „Stellen Sie sich vor, Sie sind der einzige Überlebende nach einem atomaren Super-GAU und ihr Partner, ihre Kinder, Ihre Familie, Ihre Freunde sind all bei diesem Unglück gestorben. Hat das Leben noch einen Sinn? Auf diese Frage gibt es nicht eine und erst recht keine einfache Antwort. Im Kern steckt die Anfrage an uns: Wer bist Du ohne Deine Beziehungen?“ (S. 78)

Ein weiteres Beispiel für seine Art zu erklären und zu argumentieren findet sich unter der Überschrift „Wenn die Hierarchie versagt…“: „Die Kirche muss genau prüfen, welche Männer sie weiht. Missbrauch und Doppelmoral sind in keinem Fall hinzunehmen und zu tolerieren. Die Kirche ist hier gefordert, das verloren gegangene Vertrauen durch ein striktes Durchgreifen bei dieser Frage wiederzugewinnen. Die Hierarchie ist schließlich auch da, um zu schützen: Die Priester vor der Einsamkeit des Amtes und die übrigen Christinnen und Christen vor labilen Persönlichkeiten als geistlichen Lehrern.“ (S. 106/107)

Mucha ist gleichermaßen lebensnah wie fromm, eloquent und theologisch hoch gebildet, so dass die Antworten nicht anbiedernd daherkommen, sondern Glauben vernünftig erklären und zugleich einladen, nicht nur intellektuell zu verstehen. „Ein fideistischer Kinderglaube verbrennt lichterloh, eine absolut gesetzte Vernunft hält den Flammen meist stand, doch verkümmert sie den Menschen von innen heraus, der an sich ein kreatives und sinnenreiches Wesen ist und eben nicht nur ein ‚wandelnder Kopf‘.“ (S. 200f.) Was kann man Schüler*innen Besseres wünschen als Futter für Kopf und Herz? 

Einige Bilder, Infokästen und Literaturtipps ermöglichen das Arbeiten auf verschiedenen Niveaus. Das Buch ist bereits 2019 im Bonifatiusverlag erschienen. Robert Mucha ist heute Programmbereichsleiter Mensch-Gesellschaft-Politik und Fachgebietsleiter Religion und Philosophie an der Münchner Volkshochschule, als Trauerbegleiter tätig sowie als Referent in der Erwachsenenbildung. 


Kirsten Joswowitz
(Krefeld)