Heuschrecken und wilder Honig

Lesenswert

(c) Verlag Friedrich Pustet
Datum:
Di. 8. Apr. 2025
Von:
Heribert Körlings

Erwin Möde: Heuschrecken und wilder Honig. Johannes der Täufer, eine tragische Heilsgeschichte. Regensburg: Friedrich Pustet-Verlag 2024. 188 Seiten, 24,00 €; ISBN 978-3-7917-3490-3

Das Buch ist in der Diözesanbibliothek ausleihbar.

Der Autor führt in seinem gut lesbaren, auch zur Meditation einladenden Buch, die zentralen Aspekte der Lebensgeschichte, des Auftrags, der Tragik und der heilsgeschichtlichen Bedeutung Johannes des Täufers originell und anschaulich vor Augen.

Mödes spirituelle, meditative Perspektive, ermöglicht es, frei von wissenschaftlicher Distanz und belastenden Fußnoten, die Dynamik im Auftreten des Täufers, in seiner Begegnung mit Jesus und in dem ihn ereilenden tragischen Ende so darzustellen, dass dem heutigen Leser jeweils deren existentielle Bedeutung erschlossen wird. Die schrittweise Annäherung geschieht als vorsichtige, vielschichtige Spurensuche. 

Der rigorose Aket vom Jordan
Das mit dem Titel des Buches assoziierte gängige Bild des rigorosen Asketen vom Jordan, des schonungslosen Pragmatikers mit seinem Ruf zur Umkehr, deren Wortsinn genau umschrieben wird, erhält neue, überraschende Konturen. Der Autor zeichnet das Beziehungsdrama zwischen Jesus und Johannes nach. Er macht die Gemeinsamkeit und die Tragik darin deutlich. Letztere zeigt sich im genauen, einfühlsamen Blick auf die Situation am Lebensende des Täufers: In der skeptischen Frage des gefangenen Johannes durch seine Jünger an Jesus: „Bist du es…? (Lk. 7,19) stehen seine Identität und sein Auftrag, der lebendige Ruf auf einen Anderen hin zu sein, auf dem Spiel. Nicht zuletzt gilt das auch für seine Botschaft. Deren Kern besteht darin, dass Johannes am Jordan seine Zeitgenossen auf Jesus, das Lamm Gottes hinweist. Gefangenschaft und Ermordung kennzeichnen das Ende dieses von Gott gesandten Menschen. Zwar bleibt sein Leben tragisch, denn es kommt nicht zu einer Auferweckung des Verstümmelten und Gemordeten. Aber die Evangelien messen Johannes und seinem Wirken einen unvergleichlichen, unvergesslichen, unzerstörbaren heilsgeschichtlichen Platz zu. 

Mödes daraus folgende, ganz ungewöhnliche Kennzeichnung des Täufers als das andere Lamm Gottes gibt dessen Ermordung eine überraschende Sinnperspektive. Dem Messias Jesus und seinem Schicksal, bleibt Johannes der Täufer ganz nah. Die beiden Verwandten, Johannes, der von Gott gesandte Mensch, und Jesus, der Messias, werden in den Evangelien mit einer Reihe von Gemeinsamkeiten dargestellt, als ein ungleiches, aufeinander verwiesenes Paar. Johannes, das andere Lamm Gottes, wird zuerst geopfert, Jesus folgt. Dieser Tatsache korrespondiert nach Möde ein frappierender alttestamentlicher Hinweis: Ex 29, 38 – 39 ist nämlich von zwei einjährigen Lämmern, die Rede, die auf dem Altar geopfert werden. Mödes Spurensuche zeichnet überraschend und einleuchtend nach, dass die durch die Tragik und durch das Opfermotiv gekennzeichnete Heilswahrheit des Evangeliums an eine abgründige Wahrheit heranführt.

Den Auftrag und das Zueinander der beiden Verwandten Johannes und Jesus macht der Autor psychologisch und theologisch plausibel. Weil vieles gegenüber dem gängigen Verständnis neu und ungewöhnlich ist, muss man seine Ausführungen langsam, Schritt für Schritt, lesen. Dann ist es möglich sich mit einem neuen, bisher unbekannten Blick dem Handeln Gottes für die Menschen im Beziehungsdrama zwischen Johannes und Jesus anzunähern.

Der heutige Leser kann es sich dann vielleicht wieder bewusst machen, es neu lernen, was auch dem Täufer Johannes fremd und schwer begreiflich ist: Die zuvorkommende Antwort Gottes des Vaters auf die Umkehr seines verlorenen Kindes kennt kein Entweder … oder, sondern nur ein Sowohl … als auch von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Jesus verkörpert und vergegenwärtigt diese heilvolle Nähe des väterlichen Gottes. 

Erwin Möde gelingt es, dass man die vielschichtige Persönlichkeit des Täufers neu wahrnimmt. Er leitet dazu an, auf die polyphone Stimme des Johannes, die Sprache und das Zeugnis des Vorläufers, der Jesus bei aller Unterschiedlichkeit ähnlich ist, genau und vorurteilsfrei zu hören. Der philologisch genau lesende, von Johannes dem Täufer und Jesus ergriffene Autor, gibt, indem er die entsprechenden Texte sensibel abhört, vielfältige Impulse zur geistlichen Betrachtung und zur existentiellen Auseinandersetzung mit ihnen. Auch die Krise und der Zweifel gehören zum Glauben. Eindrucksvoll führt Erwin Möde das besonders mit seinen einfühlsamen, die Situation erhellenden Ausführungen zu der Täuferfrage: „Bist du es der kommen soll?“ (Lk. 7, 19) und der Antwort Jesu (Lk. 7, 22 – 23) vor Augen: Die Frage des Johannes und die Antwort Jesu bleiben anstößig. Sie fordern zur eigenen, persönlichen Entscheidung heraus. 

Heribert Körlings (Herzogenrath) 


Die Besprechung ist auch im aktuellen „Eulenfisch Literatur“, dem Online Literaturmagazin des Bistums Limburg, erschienen. Weitere Rezensionen finden Sie hier:
https://www.eulenfisch.de/literatur/literaturmagazin/literaturmagazin-01-2025