Grundwissen Konfessionskunde

Lesenswert

(c) utb.
Datum:
Do. 22. Mai 2025
Von:
Alexander Schüller

Gisa Bauer / Paul Metzger: Grundwissen Konfessionskunde. Tübingen: Narr Francke Attempto Verlag 2019 (utb; 5254), 326 Seiten, 24,99 Euro, ISBN 978-3-8252-5254-0

Das Buch kann in der Religionspädagogischen Medienstelle unter der Signatur 280 Baue eingesehen und ausgeliehen werden.


„Stellen wir uns ein Prisma vor: Ein Prisma ist eine Einheit, aber alle seine Teile sind anders; jedes hat seine eigene Besonderheit, sein Charisma. Das ist Einheit in Vielfalt.“ Auf dem ökumenischen Treffen in Caserta 2014 nutzte Papst Franziskus die Prisma-Metapher, um seinen Zuhörerinnen und Zuhörern einen oft gehörten und leicht abgenutzten Begriff von Neuem anschaulich zu machen: den Begriff der Ökumene. 

Der UTB-Band „Grundwissen Konfessionskunde“, verfasst von Gisa Bauer, evangelische Theologin und Kirchenhistorikerin an der Universität Leipzig, und Paul Metzger, evangelischer Pfarrer in Ludwigshafen-Pfingstweide, ist ein prismatisches Buch. Es untersucht jene Einheit in Vielfalt, von der Franziskus spricht, indem es nach einer Tour d'Horizon durch die Geschichte des Christentums die verschiedenen Teile des Prismas in den Blick nimmt.
Dabei schließen Bauer/Metzger aber von vorneherein all jene Gemeinschaften aus, die keine christliche Kirche im Sinne des ÖRK sind. Dennoch bleiben zahlreiche Kirchen übrig. Um sich bei der Darstellung dieser Vielfalt nicht zu verlieren, sortieren Bauer/Metzger die Kirchen nach einem theologischen Kriterium: der Realisierung von Apostolizität. Diese kluge Sortierung verleiht dem Hauptteil eine dreiteilige Struktur. Zunächst konzentrieren sich Bauer/ Metzger auf die Kirchen, welche die Auffassung vertreten, dass ihre geistlichen Amtsträger in personeller Nachfolge der Apostel stehen (Römisch-katholische Kirche, Altkatholische Kirche, Orthodoxe Kirche, Byzantinische und Autonome orthodoxe Kirchen, Anglikanische Gemeinschaft). Dann wenden sie sich jenen Kirchen zu, die ihre Apostolizität inhaltlich begründen: mit der Treue zum apostolischen Zeugnis (evangelische Konfessionsfamilie). Im letzten Kapitel des Hauptteils widmen sich Bauer/Metzger schließlich der Neuapostolischen Kirche (und ihrer Vorgängerin), die ihre Apostolizität in lebenden Aposteln realisiert glaubt. 

Das Besondere der Kirchen
Innerhalb dieser drei Kapitel versuchen Bauer/Metzger, das Besondere der Kirchen aus drei Perspektiven herauszuarbeiten. In Unterkapiteln widmen sie sich je einer Kirche und betrachten sie zuerst aus theologischer Perspektive – im Hinblick auf die konkrete Realisierung der Apostolizität. Aus historischer Perspektive stellen sie anschließend die geschichtliche Entwicklung der jeweiligen Kirche dar, um deren Eigenheit verstehbar zu machen. Unter systematisch-praktischer-phänomenologischer Perspektive widmen sie sich zuletzt den wichtigsten Lebensvollzügen der Kirchen und konzentrieren sich dabei auf Sakramente, Organisationsformen, Ausprägungen der Konfessionsfamilie und weitere Wesensmerkmale. Alle Unterkapitel schließen mit einigen Hinweisen auf grundlegende Literatur.

Um die Struktur des Buches noch besser nachvollziehen zu können, sei das Kapitel zur Römisch-katholischen Kirche knapp umrissen: Aus theologischer Perspektive skizzieren Bauer/Metzger hier zunächst das Kirchen- und Amtsverständnis der Römisch-katholischen Kirche. Im Anschluss daran thematisieren sie Stellung und Vollmachten des Papstes, ebenso das Verhältnis von Lehramt und Heiliger Schrift. Aus historischer Perspektive fassen sie dann die Geschichte der Römisch-katholischen Kirche zusammen. Dabei setzen sie keine Vorkenntnisse voraus. Schlüsselfiguren wie Augustinus, Thomas von Aquin oder Ignatius von Loyola werden in eigenen Who is Who-Kästchen kurz vorgestellt. Die historische Darstellung ist überaus komprimiert, was dem Band im Hauptteil den Charakter eines Lexikons gibt. Im Abschnitt zu den wichtigsten Lebensvollzügen der Römisch-katholischen Kirche thematisieren Bauer/Metzger schließlich u.a. das Amt des Bischofs, die Orden, das gottesdienstliche Leben, die sieben Heilszeichen sowie die Heiligen- und Marienverehrung. Auch die weiteren Unterkapitel des Hauptteils beschränken sich auf das Nötigste. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, sind die dargebotenen Informationen zuverlässig und adäquat gewichtet (Ausnahmen sind z.B.: Bei Innocenz III. wird die für den ökumenischen Dialog bedeutsame vicarius Christi-Bezeichnung nicht erwähnt; De captivitate Babylonica ecclesiae wird zu De capititate Babylonica Ecclesiae). Allerdings erschließt sich nicht, warum Bauer/Metzger in späteren Unterkapiteln auf eine Kurzvorstellung wichtiger Personen verzichten. Auch die Abschnitte zu den wichtigsten Lebensvollzügen sind von wechselnder Ausführlichkeit und Qualität. Über Theologie, Kirche und Frömmigkeit der Polnischen Autokephalen Orthodoxen Kirche erfährt man z.B. nicht mehr, als dass sie etwa 700.000 Mitglieder hat und dass an ihrer Spitze der Metropolit von Warschau und ganz Polen steht. Das liegt womöglich daran, dass Bauer/Metzger sich bei der Auswahl der Kirchen zu wenig beschränken. Sie nehmen sich in der Einleitung zwar vor, nur Kirchen zu berücksichtigen, die „in Deutschland und im europäischen Raum Relevanz“ besitzen; in den Unterkapiteln halten sie sich daran jedoch nicht immer. Der Hauptteil ist deshalb eher zum Nachschlagen als zur zusammenhängenden Lektüre geeignet. 

Anders verhält es sich mit dem Ausblick. Er lohnt die chronologische Lektüre, da es Bauer/Metzger auf wenigen Seiten bestens gelingt, ihre Kernthese zu entfalten: dass sich nicht nur zwischen, sondern immer mehr auch in den Konfessionen Diskussionen um kontroverse Themen ergeben (Frauenordination, Homosexualität, Umgang mit der Heiligen Schrift). Trotz der Brisanz dieser Themen achten Bauer/Metzger darauf, dass ihre Darstellung stets sachlich bleibt. Denn sie wollen nicht gewichten oder beurteilen, sondern der Kernaufgabe der Konfessionskunde gerecht werden: „den Weg für einen gelingenden Dialog“ zu bereiten. Als Wegbereiter hat das Buch denn auch seinen Nutzen. Indem es das Grundwissen über die christlichen Kirchen zusammenstellt, ermöglicht es die nächsten Schritte – jene Schritte zueinander, die Papst Franziskus in Caserta zur Christenpflicht erklärt hat: „Ich kann einen Christen nicht verstehen, der stehen bleibt. Ein Christ muss sich bewegen.“

Alexander Schüller