Die Wirklichkeit Gottes im Bild

Lesenswert

(c) Herder Verlag
Datum:
Do. 27. Apr. 2023
Von:
Heribert Körlings

Das anschauliche, spannende Buch beschäftigt sich mit unterschiedlichen bildhaften Darstellungsmedien der Wirklichkeit Gottes. Der Autor zeigt Möglichkeiten auf, die Wirkung der unterschiedlichen Bilder zu unterscheiden. Damit trägt er zur kritischen Reflexion über die eigene Gottesverehrung bei. 

 

Eckhard Nordhofen: Media divina. Die Medienrevolution des Monotheismus und die Wiederkehr der Bilder. Freiburg: Herder Verlag 2022. 319 Seiten. ISBN 978-3-451-397-462. 34 Euro.
Das Buch ist in der Diözesanbibliothek unter der Signatur 71 831 ausleihbar.

In Anknüpfung an sein vieldiskutiertes Werk „Corpora“ geht es Nordhofen auch in seinem neuen Buch „Media divina“ um die Frage: Wie stellen religiöse Menschen, das Göttlich – Transzendente, den Bezugspunkt ihres Glaubens, dar? Mit dem Glauben Israels ist hier ein entscheidender Wendepunkt verbunden: Spätestens im babylonischen Exil wird mit dem Gottesnamen JHWH die Schrift das Mittel zur Darstellung Gottes.

Das Erstaunliche an diesem mit JHWH verbundenen Medienwandel kommt in Nordhofens dichten, präzisen Kennzeichnungen zum Ausdruck: Der Gottesname bedeutet pures Dasein als Einzigkeit. Der „Ich bin da“ ist nirgendwo und nie nicht da. Die Wirklichkeit übersteigend, verehrt der Glaubende ein nicht - empirisches Gegenüber, das ihm einen neuen Blick auf die Realität und auf sich selbst ermöglicht. Durch ehrfürchtige Aussparung heiligt das Volk den Namen. Denn dieser Name bringt die Gleichzeitigkeit von Gegenwart und Vorenthaltung, d. h. Entzogen- und Andersheit, zum Ausdruck. Das unterscheidet den bildlosen Gott Israels von den Gottheiten der Völker. An die Stelle des Kultbildes tritt die Kultschrift. Der Wechsel zu diesem Gottesmedium zieht die Verehrung der Schrift nach sich, von Nordhofen wertungsfrei als „Grapholatrie“ bezeichnet. Die positiv als „Schriftler“ charakterisierten Pharisäer und auch Jesus von Nazareth stehen in dieser Tradition.

Mit dem Glauben an Jesus, das fleischgewordene Wort Gottes, verbindet sich ein signifikanter Medienwandel: eine Person und darüber hinaus das Brot, ihr Sakrament, werden zur Darstellung des Göttlichen. Paulus bezeichnet Jesus als das „Bild des unsichtbaren Gottes“. (Kol. 1,15). Diese Prädikation veranlasst und berechtigt die Christen zur Gottesverehrung in bildhafter Darstellung.

Wie sich der Medienwechsel zum Bild bei gleichzeitiger Persistenz der Schrift konkretisiert, stellt Nordhofen anhand verschiedener beeindruckender historischer Beispiele von der frühen Kirchengeschichte bis zur Gegenwart eingehend und kenntnisreich dar. Zwei Stationen seien hervorgehoben: Dem sakramentalen Gottesmedium Brot entspricht die mittelalterliche Verehrung durch die Betrachtung der konsekrierten Hostie. Im 20. Jahrhundert geht selbst das Vertrauen zum Gottesmedium Schrift verloren. In Paul Celans Gedicht „Psalm“ ist der abwesende Gott nur noch grammatisch anwesend. Steht also am Ende der Beschäftigung mit den unterschiedlichen Gottesmedien das Schweigen? Dem kann man unter der Bedingung zustimmen, dass es ein beredtes Schweigen sein muss: Sich der Vorläufigkeit aller bildhaften Gottesmedien bewusst zu sein, entspricht eine privative Gottesverehrung. So trägt diese der Gleichzeitigkeit von Präsenz und Vorenthaltung Rechnung, die den Namen Gottes kennzeichnet. Die Vorenthaltung fordert heraus. Sie motiviert dazu, sich im alltäglichen Handeln der Gottespräsenz anzunähern, ohne die Alterität Gottes zu übergehen. Das große Gegenüber, JHWH, reden Christen, von Jesus ermutigt als, lieber Vater an. Der „Abba“ ist ihnen Lebensorientierung, die Wahrheit, nach der sie sich ausstrecken, ohne sie zu besitzen.

Nordhofens gedanklich komplexe, facettenreiche Überlegungen belohnen ausdauernde, konzentrierte Leser: Der Autor fordert und fördert die Unterscheidung der Geister. Er stärkt die Auseinandersetzung mit Bildmedien und mit ihrer Eigenart. Dazu macht er auf den wichtigen Unterschied zwischen der Entmächtigung durch vereinnahmende Medien und der privativen Tradition aufmerksam. Nur diese kann sich auf Gott, das große gegenstands- und bildlose Gegenüber berufen.

„Media divina“ bezieht theologisch und kunsthistorisch interessierte Adressaten in ein ausführliches, lehrreiches Gespräch ein, das den Horizont erweitert.

Heribert Körlings, Herzogenrath