"Ties": Verbindungen – Verbundenheit – Beziehungen – Bindung – Verknüpfungen – so könnte der Titel des 7-minütigen Kurzfilms übertragen werden.
Der Animationsfilm (2019, ausleihbar in der Medienstelle, DVD 1118) der Filmemacherin Dina Velikovskaya, dessen Bilder alle aus einem einzigen Faden gelegt zu sein scheinen, beschreibt einen Abschied zwischen Tochter und Eltern. Es ist kein überstürzter Aufbruch, keine Flucht, sondern der Abschied ist geplant. Es ist einfach „der Lauf der Dinge“. Die Ratschläge der Mutter, die tiefen Seufzer des Vaters sowie Kuss und Umarmung der Tochter bringen das gute Verhältnis der drei Personen ins Bild.
Auf dem Weg zum Taxi hält die Tochter kurz an der Schaukel inne. Dort bleibt sie anscheinend an etwas hängen - im übertragenen und konkreten Sinne - und nimmt diesen Faden mit sich, die ganze Taxifahrt über, während des Fluges, bis in eine andere Stadt. Während dies von der Tochter unbemerkt bleibt, löst das Fadenziehen bei ihren Eltern alles auf: Tisch, Stühle, das ganze Haus und fast auch den Vater. Die Mutter reagiert und versucht, das Unheil aufzuhalten, in dem sie an dem Faden zieht. Erst in diesem Augenblick hat das Geschehen eine Auswirkung auf die Tochter, die die Atmosphäre der neuen Stadt sichtlich genießt. Die Tochter zieht ihrerseits an dem Faden und es kommt zu einem indirekten Tauziehen zwischen Tochter und Mutter. Der Faden reißt. Beide Parteien scheinen aber glücklich, mit der nun entstandenen Situation zu sein. Wohlige Erinnerung und Freude im Hier und Jetzt findet Ausdruck im Bild des Schaukelns.
Der Film Ties eignet sich als Impuls, um die Themen Abschiednehmen, Erwachsenwerden Gehenlassen in den Blick zu nehmen. Wo sind Verbindungsstränge, die bleiben, die einen prägen und tragen. Welche Verbindungsstränge müssen gekappt werden, um in ein eigenes Leben zu starten. Oder aus Elternsicht: Welche Verbindungsstränge müssen sich lösen, damit der neue Lebensabschnitt eine neue Qualität entfalten kann. Der Film ermöglicht Eltern wie Jugendlichen ab 14 Jahren einen Blick auf die eigene Situation und einen Perspektivwechsel.
Margit Retterath-Offner