Auferstehung jetzt

Lesenswert

(c) Herder Verlag
Datum:
Di. 23. Apr. 2024
Von:
Heribert Körlings

Peter Trummer: Auferstehung jetzt – Ostern als Aufstand. Theologische Provokationen. Neuausgabe. Freiburg: Herder Verlag 2023. 205 Seiten. 22,00 €. ISBN 978-3-451-39499-7

Das Buch ist in der Diözesanbibliothek unter der Signatur 71855 entleihbar.


Peter Trummer gibt in seinem klar strukturierten, flüssig lesbaren Buch mit 33 kurzen Kapiteln originelle Denkanstöße, um die christliche Botschaft von Kreuz und Auferstehung Jesu zu verstehen und umzusetzen.

Der Einleitung über die sonntägliche Feier der Auferstehung und ihre Konsequenzen (Kapitel 1) folgen Ausführungen über die Passion Jesu (Kapitel 2 – 21): Anschaulich führt Trummer die äußeren Ereignisse und das Handeln beteiligter Personen, Freunde beziehungsweise Gegner Jesu vor Augen. Darüber hinaus erläutert der Autor die unterschiedlichen neutestamentlichen Deutungen der Passion kenntnisreich und differenziert. So macht er in ihrem jeweiligen Kontext die theologische und existentielle Innenseite des Geschehens plausibel. Kritisch muss Trummer dabei feststellen: Allzu lange und noch zu oft dient die von Projektionen und Vorurteilen geprägte defizitäre Verkündigung der Botschaft vom Kreuz dazu, Menschen zum bloß jenseitsbezogenen Erdulden ihres Leidens aufzufordern.
Dagegen geht es darum, an die Stelle einer solchen vertröstenden, herrschaftsstabilisierenden Verfälschung der Rede von der Passion Jesu das Leiden Christi in dem vielfältigen Leid heutiger Menschen wiederzuerkennen. Das hat Mitleiden und Solidarität zur Konsequenz, fordert den Aufstand gegen überwindbare, leidverursachende Zustände. Nur so kann die Meditation des Leidens Jesu Christi am Kreuzweg weiterhin glaubwürdig und praxisrelevant bleiben. 

Sterben besteht im Eintauchen in das Leben Gottes

Die Hoffnung stiftende, motivierende Botschaft von der Auferstehung des Gekreuzigten, von seiner Himmelfahrt und der pfingstlichen Geistsendung entfaltet Trummer im Folgenden (Kapitel 22 – 31): Es geht bei der Auferstehung nicht um die Wiederherstellung der körperlichen Existenz. Sterben besteht im Eintauchen in das Leben Gottes mit allen leibhaftigen Erfahrungen, den personalen Beziehungen der Lebensgeschichte. Der Auferstandene lässt sich nicht festhalten. Auferstanden lebt er in der Dimension Gottes. Das gilt für Jesus als dem Ersten, aber auch für jeden Einzelnen. Wir stehen in der gleichen Weise auf wie er und brauchen uns nicht auf ewig lange Zwischenzeiten einzustellen. Die Erzählung von der Himmelfahrt macht das Hinaufgehen Jesu zum Vater anschaulich, was die Rückkehr der Jünger in die Stadt und ihr Handeln zur Folge haben muss. Dazu befähigt der Heilige Geist. In ihm ist Jesus Christus in und zwischen den Menschen da. Das Brotbrechen mit dem auferstandenen Christus als Gastgeber, ein geschwisterlicher, gemeinsam gestalteter Gottesdienst, ist für die christlichen Gemeinden von Anfang an der Dank für die Gegenwart Jesu Christi und Gottes, das Abba, in ihrem Heiligen Geist – Eucharistie. 

Der Tod gehört zur Wirklichkeit

Trotz der bleibenden Gegenwart des Auferstandenen gehört der Tod zur Wirklichkeit. Er ist zwar überwunden. Aber das Leiden bleibt ein Kennzeichen der Schöpfung. Diese wartet auf die endzeitliche Erlösung. Auf diesem Hintergrund sind zwei Aspekte wesentlich: Sein Tod und seine Auferstehung bedeuten für Jesus die Entgrenzung, der auferstandene Christus fühlt deswegen mit dem ganzen Kosmos mit. Und darüber hinaus: Gott, dem Vater, geht nicht nur der Tod Jesu nahe; als Schöpfer trifft ihn das Leid jedes Einzelnen und der gesamten Schöpfung. Darin liegt für Trummer der Umkehrpunkt. Angesichts des mitleidenden Gottes wurde es ihm möglich, das Kreuz lieben zu lernen (Kapitel 32): Der mitleidende Gott richtet auf. Er gibt dem Einzelnen die Kraft, den göttlichen Funken in sich zu entdecken. Mit dem Mut zu sich selbst ist individuell und politisch der Widerstand gegen die Schwerkraft der Verhältnisse möglich.

Kann die Kirche noch auf(er)stehen?

Schließlich fragt Trummer: „Kann die Kirche noch auf(er)stehen?“ (Kapitel 33). Eindringlich skizziert der Autor Voraussetzungen dafür: Eine Gemeinschaft des Miteinanders, die im Brotbrechen füreinander guten Mutes bleibt. In ihr werden priesterliche Menschen die Aufgabe haben, für andere vorzusorgen ohne vorstehen oder zurechtweisen zu wollen. Eine auferstehende, aufstehende Kirche wird schon heute und in Zukunft dazu in erster Linie Frauen, dann aber auch Männer brauchen… 

Für Trummer wurde der Titel seines Buches zum Lebensprogramm. Dessen persönliche, existentielle Bedeutung vergegenwärtigt er einem breiten Leserkreis. Unmissverständlich klärt der Autor, was nicht mehr trägt: Missverständnisse werden namhaft gemacht; kritische Anfragen richten sich an den Einzelnen und an die Gemeinschaft. Der Kirche traut Trummer zu, dass sie beim gemeinsamen Brotbrechen, das Grenzen überwindet, mit Christus aufersteht. Die Feier von Tod und Auferstehung Jesu Christi muss zum Handeln führen. Sie bedeutet Sendung. Orientiert an dieser Botschaft, ist es möglich, aufzustehen, bisweilen auch den Aufstand zu wagen, entsprechende Situationen zu nutzen. 

Die einzelnen Denkanstöße, die in beliebiger Reihenfolge gelesen werden können, durchzieht als der rote Faden das leitmotivisch klar herausgearbeitete Gottesbild: Gott, der unbedingt beziehungswillig ist, liegt die Schöpfung und damit jeder Einzelne am Herzen. Gottes schöpferisches Ja endet im Tod nicht. Daraus entspringt die Hoffnung auf die Auferstehung, auch mitten am Tag. Beginnen kann diese Zuversicht als die Chance, in unterschiedlichen Lebenssituationen aufzustehen und damit immer neu anzufangen. Dazu gehört das gemeinsame Handeln, die Auseinandersetzung und nicht zuletzt das verständnisvolle, persönliche Gespräch, auch im Religionsunterricht. 

Trummers theologische Provokationen sind ein aufrüttelnder, aber mehr noch ein ermutigender Weckruf. 

Heribert Körlings (Herzogenrath)